Politik

Christian Lindner auf der Zielgeraden

Endspurt für die FDP

FDP im Aufwind
(Quelle: wdr.de)
GDN - Für FDP-Chef Christian Lindner ist es derzeit eine Tour de Force quer durch die Republik. Er gleicht einem Marathonläufer kurz vor dem Ziel. Er kämpft mit seiner Partei um den Wiedereinzug in den Bundestag und läutet das Ende des außerparlamentarischen Daseins ein. Er eilt von Termin zu Termin.
Der diesjährige Bundestagswahlkampf hat seine Spuren bei Christian Lindner hinterlassen, er wirkt freundlich und professionell wie immer, ist ständig voller Tatendrang, doch wer genau hinschaut, sieht wie sein Gesichtsausdruck langsam an Kraft verliert, wie die Falten tiefer werden. Seine Körperhaltung hat sich zwar nur minimal, aber für den aufmerksamen Beobachter dennoch bemerkbar verändert. Der anstrengende Wahlkampf hat ihn gebeugt. Aber Lindner gibt nicht nach, er kämpft bis zum Schluß. Er ist entschlossen, die schmachvolle Ära der außerparlamentarischen Opposition ein für alle Mal hinter sich zu lassen, möchte sich und seine Partei als moderne, junge und zukunftweisende Aufsteiger verstanden wissen.
Es gibt für ihn nur eine Richtung und die geht nach oben. Aber er ist auch Realist, weiß, dass es nicht steil aufwärts gehen kann, aber er ist so umtriebig und voller Tatendrang, dass es stetig in die für die Freien Demokraten richtige Richtung geht: aufwärts. Derzeit ist der Parteichef quasi omnipräsent. Man trifft ihn in nahezu sämtlichen Medien an. Wahlkampf digital. Fehler der Vergangenheit, in alten, starren Mustern zu verharren und dabei zu zerschellen und sich der Lächerlichkeit preisgeben, das möchte niemand in der Partei, schon gar nicht ein ambitionierter Christian Lindner. Beim "Welt"-Wahlchat skizziert er die Positionen seiner Partei im Zusammenhang mit Regierungskoalitionen, Flüchtlingspolitik und Videoüberwachung.
Er unterstrich noch einmal explizit die Unabhängigkeit der FDP: "Ich möchte, dass wir uns niemals wieder unsere Selbstachtung nehmen lassen, indem wir uns exklusiv der CDU unterwerfen", sagte Lindner. Leihstimmen von Unionsseite wünsche er keine. Letztlich sei selbst eine
schwarz-gelbe Mehrheit nach der Bundestagswahl keine Garantie für eine aus Union und Freien Demokraten bestehende Regierung. "Nur wenn wir etwas durchsetzen können, gehen wir in eine Regierung, sonst nicht." so sein Tenor. Gegenüber der Berliner Zeitung und dem Focus breitet er sich über die durch die FDP anvisierten Trendwenden und die Periode nach der Wahl aus, mit dem Fazit, dass ihm letztlich die Fantasie für eine Jamaica-Koalition fehle.
Er bemängelt beispielsweise die Einwanderungspolitik der Grünen. Deren Ansatz sei auf dem Stand von 2015 stehen geblieben. Den entscheidenden Schritt, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären käme für sie nicht in Frage.
Hingegen strebe die FDP ein modernes Einwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild an. Mit den Grünen sei eine humanitäre, aber zugleich rationale Zuwanderungsstrategie aktuell nicht umsetzbar. Gegenüber dem "Focus" äußerte Lindner, dass die Grünen in Ermangelung von Themen eine Dämonisierung der FDP als Staatsfeind Nummer eins betrieben. Die Zeit der außerparlamentarischen Opposition verglich Lindner gegenüber der "Berliner Zeitung" mit einem rauen, unfreiwilligen Bildungsurlaub.
Nun zähle für die Partei nur eines: die eigenen Überzeugungen. Die FDP kehre nun als eine andere Partei zurück. Sie stehe für die Gestaltung der Digitalisierung, aber eben auch für weltbeste Bildung, wirtschaftliches Vorankommen der Mitte, einen flexibleren Sozialstaat, Bürgerrechte und klare Regeln für Zuwanderung. "Das ist ein umfassenderer Ansatz als früher und Teil unseres Erneuerungsprozesses", so Lindner. Diesen Ansatz will er durch erreichte Trendwenden auch nach der Bundestagswahl fortsetzen: er verlangt, dass sich die Belastungsspirale bei Steuern und Abgaben nach unten und nicht weiter nach oben drehe. Es dürfe keine weitere Überwachung unbescholtener Bürger mehr geben, sondern mehr Polizisten.
"Keine weitere Bürokratie, sondern Flexibilität. Keine Umverteilung beim Euro, sondern mehr finanzielle Eigenverantwortung und Reformen", nennt der FDP-Parteichef ein paar entscheidende Prüfsteine, welche die FDP an einen möglichen Koalitionspartner richten würde.
Gegenüber dem "Focus" nennt er ein paar weitere: "Wir müssen in Bildung investieren statt in Umverteilung. Deutschland braucht bezahlbare Energie durch mehr Marktwirtschaft statt weiter Öko-Subventionen und Quoten. Wir brauchen ein handlungsfähiges Europa statt eine Transfer-Union mit deutschem Geld." Am kommenden Sonntag wird die FDP auf ihrem in Berlin stattfindenden Sonderparteitag einen entsprechenden Wahlaufruf verabschieden.
Dieser soll letztlich als argumentative Grundlage für etwaige Koalitionsgespräche dienen. Das Ziel
haben die Freien Demokraten bereits deutlich vor Augen. Aber, eines ist jetzt schon gewiss: die Schlacht um Platz drei in der Parteienlandschaft bleibt höchst spannend bis zum Schluss, auch wenn der Wiedereinzug dieser runderneuerten und profilgeschärften FDP in den Bundestag aktuell niemanden mehr überraschen dürfte.
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